Den Älteren unter uns ist das Element und Schwermetall Wolfram (in vielen Ländern: Tungsten) noch wohlbekannt aus dem Schulunterricht: Die Glühwendel in heute nicht mehr gebräuchlichen Glühbirnen bestand daraus und dieses Wissen war in den Prüfungen gefragt. Wolfram hat den höchsten Schmelz- und Siedepunkt aller Elemente. Bei den dadurch erzielbaren hohen Temperaturen war die Lichtausbeute der Glühbirnen optimal.
Jüngere kennen aber nur noch moderne LEDs, die Licht mit völlig anderen Verfahren nun wesentlich effizienter bereitstellen.
Nichtsdestotrotz ist Wolfram keineswegs obsolet geworden. Es ist ein klassisches Industriemetall, dessen Wirken eher unauffällig, aber extrem vielfältig ist. Obwohl ähnlich dicht ("schwer") wie Gold, interessiert sich kaum jemand dafür, Barren oder Münzen aus Wolfram in Tresoren aufzubewahren oder Schmuck* daraus herzustellen. Dies nimmt Wolfram fast vollständig aus der Schusslinie von Spekulanten.
Wolframcarbid
Ein grosser Teil des produzierten Wolframs wird zu Wolframcarbid weiterverarbeitet, eine keramische Verbindung von Wolfram mit Kohlenstoff. Die enorme Härte von Wolframcarbid reicht nahe an Diamant heran ("Widia") und prädestiniert es zur Produktion von Hartmetallen für industrielle Anwendungen, da es gleichzeitig praktisch unverwüstlich ist. Diese Hartmetalle finden Verwendung in Werkzeugen, Werkzeugmaschinen und hochbeanspruchten Bauteilen. Die Bandbreite an Anwendungen in den Bereichen Bohren, Schneiden und Fräsen ist extrem vielfältig und gerade die in deutschsprachigen Regionen verbreitete Maschinenbauindustrie profitiert enorm von diesem Material. Immer wieder werden natürlich auch Ersatzteile für bestehende Maschinen mit Hartmetallbauteilen benötigt.
*Schmuck
Doch, Schmuck aus Wolframcarbid gibt es, wenn auch selten. Unter der Marke "Tungsten" werden meist Ringe angeboten. Die enorme Härte von Wolframcarbid macht diese Ringe nahezu unzerstörbar und kratzfest. Eheringe aus diesem Werkstoff symbolisieren die Untrennbarkeit der Partnerschaft und versprechen Haltbarkeit für Generationen. Allerdings lassen sie sich kaum anpassen und man tut gut daran aufzupassen, dass der Finger nicht anschwillt.
Hochreines Wolfram, aufgedampft
Photo by Alchemist-hp
Elementares Wolfram und Verbindungen
Neben Glühlampen, die in manchen Teilen der Welt noch in Betrieb sind, wird Wolframmetall als Elektrode in Elektronenröhren oder - ebenfalls als Elektrode - für das Lichtbogenschweissen eingesetzt. Fast immer ist es die Unverwüstlichkeit und der hohe Schmelzpunkt, der Wolfram für technische Anwendungen so überaus geeignet macht und es von anderen Materialien abhebt.
Bei den Wolframverbindungen findet u.a. Wolframdioxid als Stützmateriali in industriellen Katalysatoren Verwendung.
Wolframlegierungen
Wolfram-Molybdän-Legierungen sind fest, zäh & hitzeresistent und werden u.a. für Turbinenschaufeln in Düsentriebwerken eingesetzt. Hochgeschwindigkeitsstahl ist eine wolframhaltige Legierung, die selbst bei höheren Temperaturen ihre Härte behält. Dies ermöglicht schnelleres Arbeiten mit höherer Produktivität, z.B. beim Bohren. Immer wieder kommen angepasste und neue Legierungen mit Wolframanteilen auf den Markt, die spezielle Bedürfnisse erfüllen. Viele mittelständische Firmen haben sich in Nischen damit spezialisiert und ein Geschäft aufgebaut.
Ist Wolfram radioaktiv?
Sowohl Wolframcarbid als auch das aus der Nuklearindustrie stammende abgereicherte und somit billigere Uran werden für panzerbrechende Waffen verwendet. Uran hat aber den Nachteil der Radioaktivität, Wolfram auf den ersten Blick nicht. Kurioserweise hat man bei hochpräzisen Messungen festgestellt, dass ein natürliches Wolframisotop doch radioaktiv ist, allerdings mit einer Halbwertszeit von einer Trillion Jahren. Dies ist so wenig an Strahlung, dass sie nur mit aussergewöhnlichen Methoden bei grossen Mengen Wolfram nachweisbar ist.
Goldfäschungen mit Wolfram
In meinem Beitrag zu Gold habe ich bereits darauf hingewiesen, dass gewiefte Fälscher die ähnlichen Dichten von Wolfram und Gold nutzen, um Fälschungen herzustellen. Das Prinzip ist immer gleich: Ein Kern aus Wolfram wird mit einer Hülle aus Gold umgeben. Wie kann man die Fälschungen nun eigentlich erkennen? Das nebenstehende Video zeigt eine Möglichkeit zur Unterscheidung anhand magnetischer Eigenschaften.
Gewinnung von Wolfram
Derzeit wird Wolframerz vorwiegend in China gefördert. Über 80% des Wolframs stammen aus chinesischen Quellen und China verfolgt intensiv die Strategie, wertvolle Rohstoffe vor allem in eigener Produktion einzusetzen. Dieses Ungleichgewicht macht westlichen Nachfragern nach Wolfram zunehmend Sorgen, zumal Wolfram in der Industrie essentiell und nicht so einfach ersetzbar ist. Manche Staaten und private Investoren überlegen sich deswegen bereits, Lager von strategischen Metallen anzulegen, die auch Wolfram umfassen.
China scheint dabei - wie man auch an den seltenen Erden erkennen kann - einem gewissen Muster zu folgen: Zuerst werden andere Anbieter mit günstigen Preisen unterboten, so dass chinesische Minen sukzessive Marktanteil gewinnen, oft im Umfeld steigender Verwendung des Rohstoffs. Dann wird der eigene Verbrauch - zu Recht - gefördert, denn der Gewinn ist höher, wenn man Produkte später in der Wertschöpfungskette verkaufen kann. Gleichzeitig wird der Rohstoff dadurch knapper und der Preis steigt. Bisher ist das alles noch rechtschaffene Marktwirtschaft, aber man befürchtet eben im nächsten Schritt auch, dass China mit Exportstopps andere Länder unter Druck setzen könnte.
Europa gilt als rohstoffarmer Kontinent, die eigentlichen Schätze Europas wird kolportiert, seien Wissen und Kultur. Das stimmt natürlich so nicht und bietet ein einseitiges Bild.
Selbst Wolframerz wird nämlich im österreichischen Mittersill seit Jahrzehnten abgebaut und das Erz zu Wolfram und Wolframprodukten verarbeitet. Ein Video zeigt die Gewinnung und Verarbeitung.
Die eigentliche, zu meisternde Herausforderung in Europa ist bei Minenprojekten die dichte Besiedelung und die hohen Anforderungen an Genehmigungsverfahren, Sicherheit und Umweltschutz. Das Interesse von Politik und Gesellschaft am primären Sektor der Wirtschaft ist zumeist weniger ausgeprägt.
Wolframgewinnung in Deutschland
Wolfram ist ein "erwachsenes", essentielles Industriemetall, eng verwoben mit grossen Bereichen des Maschinenbaus und anderen Hightechindustrien. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Wolfram schnell und leicht durch andere Metalle ersetzt werden könnte. Im Gegenteil, ich denke, dass der Verbrauch von Wolfram eher noch zunimmt, da maschinelle, automatisierte Produktion in Regionen wie Afrika und Indien noch enormes Wachstumspotenzial besitzt. Das jetzige Übergewicht der chinesischen Wolfram-Anbieter stellt dabei für westliche Industrieländer eine Gefahr dar - und sei es nur, dass chinesische Produzenten schneller und günstiger Produkte und Technik liefern können, die auf Wolfram basiert. Allerdings kann dieser Gefahr durchaus begegnet werden, denn selbst im angeblich rohstoffarmen Deutschland finden sich im Erzgebirge bedeutende Vorkommen an Scheelit, einem reichen Wolframerz.
Die Saxony Minerals und Exploration AG hat in Plöhla im Bundesland Sachsen in einem fortgeschrittenem Projekt einen Einstieg in die Produktion von Wolfram und Fluorit gewagt. Ein Erkundungsschacht erschliesst einen Abbaubereich für 3000 Tonnen Wolframerz, die in einer Pilotaufbereitungsanlage weiterverarbeitet werden. Im nächsten, jetzt anstehenden Projektschritt soll der kommerzielle Abbau gestartet werden. Der jetzige Erkundungsschacht wird dann als Wetterschacht und Fluchtweg benutzt werden. Später kann der Abbau auf Zinn und andere Metalle ausgeweitet werden.
Dies alles ist natürlich nur mit neuen Investitionen zu stemmen, die SME irgendwann zufliessen müssen. Dem Gründer und Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Reissner wäre ein Erfolg zu gönnen, denn viele Umstände sind gerade jetzt besonders günstig. Einzig und allein aus dem Umfeld der Politik würde man sich mehr Unterstützung erhoffen und erwarten. Leider schauen Politiker nur auf einen Schatz, den sie selbst abbauen: auf Wählerstimmen.
Nachtrag vom 8.10.2019
Mittlerweile ist die Unternehmensanleihe der SME AG im Internet dokumentiert.
Eine Anlage sollte man hier nicht nur (aber auch!) aus dem Blickwinkel der Rendite betrachten. Vielmehr stellt Bergbau in Europa eine Investition in die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen für die heimische Industrie dar. Dieser kritische Punkt sichert indirekt möglicherweise auch Investitionen in andere Branchen.
Dieser Beitrag wurde auf Anregung der SME AG erstellt.
...sonst hätte es länger gedauert, bis ich mich mit dem faszinierenden Metall Wolfram beschäftigt hätte.
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